Forderungen

Die Versammlung der Stadtteile präsentiert Forderungen an die Politik

Überall in Hamburg sind Initiativen aktiv, um Einfluss zu nehmen auf die Entwicklung unserer Stadt. Sie treten ein für bezahlbare Mieten und für den Erhalt von Grünflächen, Kleingärten und Schwimmbädern anstelle von Luxuswohnungen, für den Bau von Sozialwohnungen statt einer Eventhalle, für Werkstätten und Bauwagenplätze, für den Verbleib des Fernbahnhofs in Altona usw. usf.. Lange Zeit haben die einzelnen Initiativen vor Ort für sich gekämpft. Im vergangenen Jahr haben wir uns nun stadtübergreifend zusammengeschlossen als Versammlung der Stadtteile.

Wir haben festgestellt: Ob Wohnungsverkauf an Spekulanten oder Bebauung von Innenhöfen, ob Luftverschmutzung durch Kreuzfahrtschiffe oder Schließung von Postfilialen, es geht immer wieder um die gleichen Probleme. Kern der Misere ist eine Stadtentwicklung, die sich die sich fast ausschließlich an den Interessen von Großinvestoren orientiert, auf Kosten der Menschen und der Natur in der Stadt. Und eine Politik, die Investor*innen fördert und die Mitentscheidung von Bürger*innen blockiert.

Gemeinsam präsentieren wir heute unsere Forderungen für eine demokratische, ökologische und sozial gerechte Stadtentwicklung. Wir werden die Bürgerschafts-Kandidat*innen daran messen, wie sie zu unseren Forderungen stehen. Und natürlich werden wir auch nach der Wahl in diesem Sinn aktiv bleiben.

I. Mieten

Wohnen ist ein Menschenrecht. Darum gehört die Versorgung der Bevölkerung mit günstigem Wohnraum zu den wichtigsten Aufgaben gesamtgesellschaftlicher Daseinsfürsorge. Der Hamburger Immobilienmarkt ist dagegen ein Tummelplatz nationaler und internationaler Investoren. Wohnungen werden gebaut, um Gewinn zu machen. Seit der Abschaffung des gemeinnützigen Wohnungsbaus 1990 arbeiten auch SAGA und Wohnungsgenossenschaften gewinnorientiert. In der Folge steigen die Mieten immer weiter. Der angebliche „Drittelmix“ erweist sich als Mogelpackung: Obwohl lt. Senatsangaben1 55% der Hamburger*innen Anspruch auf eine geförderte Wohnung haben, entstehen real nur rd. 20% der neu gebauten Wohnungen im geförderten Wohnungsbau – und auch diese fallen meist schon nach 15 oder 20 Jahren aus der Sozialbindung. So steigen die Mieten immer weiter, und der Anteil an Sozialwohnungen geht ständig zurück. Zu allem Überfluss verkauft die SAGA immer noch Wohnungen an finanzkräftige Mieter*innen, die sie schon nach 8 Jahren beliebig weiterverkaufen dürfen. Nicht nur Wohnungsmieter*innen, auch Kleingewerbetreibende, Künstler*innen und Freiberufler*innen fallen der rücksichtslosen Vermarktung von Grund und Boden zum Opfer.

Wir fordern

  1. Einführung eines Mietendeckels
  2. Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen. Umwandlung der SAGA in eine kommunale gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft, wie sie bis 1990 bestand – allerdings mit Kontrolle durch die Mieter*innen. Keine Gewinne der SAGA (z.Zt. ca. 100 Mio. € jährlich). Kein weiterer Verkauf von SAGA-Wohnungen.
  3. Keine Profite mit der Miete: Kein weiterer Verkauf öffentlicher Flächen und Wohnungen, Vergabe nur noch im Erbbaurecht. Dauerhafte Mietpreisbindung für Neubauwohnungen auf städtischen Grundstücken entspr. der Volksinitiative der Hamburger Mietervereine². Für alle übrigen Neubauvorhaben mindestens 50% Sozialwohnungen.
  4. Darüber hinaus fordern wir generell eine unbefristete Preisbindung für sozialen Wohnungsbau, wie es sie z.B. in der Stadt Wien gibt.
  5. Erhalt kostengünstiger Räume für Kleingewerbe, Künstler*innen und Freiberufler*innen in den innerstädtischen Wohngebieten.

II. Wohnungsbau

Zweifellos fehlt es in Hamburg an preisgünstigen Wohnungen. Die Wohnungsbaupolitik des jetzigen Senats allerdings verschärft dieses Problem eher, da überwiegend preistreibende Luxuswohnungen gebaut werden. Indem der Senat unter der Parole „wachsende Stadt“ aktiv um den Zuzug von Einwohnern wirbt, gießt er weiteres Öl ins Feuer.

Trotz des Baubooms ist die Lage der Wohnungssuchenden immer noch verheerend. Geflüchtete und Wohnungslose sind oft zu menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht.

Grünflächen und Kleingärten stehen besonders im Fokus von Bodenspekulation und Stadtplanung. Sie sind jedoch entscheidend für die Lebensqualität, Gesundheit und Freizeitmöglichkeiten der Menschen in der Stadt. Sie sind wichtige soziale Treffpunkte, wirken ausgleichend auf das Mikroklima in der Stadt und müssen deshalb erhalten bleiben.

Wir fordern

  1. Abschied vom Konzept der „wachsenden Stadt“, stattdessen Kooperation mit dem Umland zur Verbesserung der Lebensperspektiven
  2. Vorrangige Bebauung versiegelter Flächen, wie z.B. des städtischen Geländes am Bahnhof Diebsteich (47.000 m² – die Stadt will hier eine Eventhalle errichten, wir fordern Sozialwohnungen und Kleingewerbe) oder des wenig ausgelasteten Messegeländes
  3. Die Instandhaltung von Altbauten durch die Eigentümer*innen muss konsequent durchgesetzt werden. Abrissgenehmigungen dürfen nur noch in streng geregelten Ausnahmefällen erteilt werden.
  4. Förderung des Ausbaus von Dachgeschossen zu Wohnungen
  5. Wohnungsleerstand ist zu beenden durch konsequente Anwendung des Wohnraumschutzgesetzes
  6. Abschaffung des Hamburger Wohnwagengesetzes, Legalisierung des dauerhaften Wohnens auf Bauwagenplätzen
  7. Versorgung von Wohnungssuchenden, Wohnungslosen und Geflüchteten mit städtischen oder gemeinnützigen Wohnungen. Auflösung menschenunwürdiger Unterkünfte wie der ZEA Rahlstedt.

III. Verkehr, Klima, Infrastruktur

Die für den Klimaschutz dringend notwendige umfassende Reduzierung des CO²-Ausstoßes ist nur möglich bei einer drastischen Reduzierung des Flug-, Schiffs- und Autoverkehrs. Auch die Begrenzung von gesundheitsschädlichen Lärm- und Schadstoffemissionen erfordert dies. Radverkehr, Bahn und Öffentlicher Nahverkehr sind zu fördern und auszubauen.

Die Tourismusbranche ist in den letzten 10 Jahren um fast 100% gewachsen und zum zweitstärksten Wirtschaftszweig geworden. Bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 2 Tagen ist sie besonders ressourcenintensiv. Hamburg muss auf nachhaltige, zukunftssichere Wirtschaft setzen.

Wir fordern

  1. Ausbau des ÖPNV
  2. Kostenloser ÖPNV (wie z.B. in Tallin, Manchester und Melbourne)
  3. Ausweitung der Tempo-30-Zonen, autofreie innere Stadt, Ausbau des Radwegenetzes
  4. Verbleib des Fernbahnhofs Altona am jetzigen Standort
  5. Erhalt von Grünflächen, Kleingärten und Schwimmbädern
  6. Landstromanschlüsse und Landstrompflicht für alle Liegeplätze im Hafen, insbesondere für Kreuzfahrt- und Containerschiffe
  7. Maßnahmen zur Begrenzung des Flugverkehrs. Kein Ausbau des Flughafens. Konsequente Durchsetzung des Nachtflugverbots und Ausweitung auf die Zeit von 22 bis 7 Uhr.
  8. Bei der Schaffung von Wohnraum müssen Umnutzung (z.B. frei werdende Schulen, Krankenhäuser, Gewerberäume), Umbau und Ausbau des Bestands grundsätzlich Vorrang vor Neubau haben. Wichtiger Maßstab ist dabei die „graue Energie“, die vom Material über den Transport bis zur Konstruktion in jedem Bestandsbau steckt.
  9. Begrenzung des Tourismus: Keine weiteren Hotels und Eventhallen, keine Vermietung von Wohnungen als Ferienunterkünfte

IV. Demokratie und Transparenz

Zu Recht wollen Bürgerinnen und Bürger mitbestimmen, wenn politische Entscheidungen ihren Lebensalltag betreffen. Seit 1998 gibt es in Hamburg die Möglichkeit von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden, die dies prinzipiell möglich machen. Der Haken: Bürgerentscheide (quasi Volksabstimmungen auf Bezirksebene) werden regelmäßig ausgehebelt, wenn dem Senat das Ergebnis nicht passt. Oder sie werden schon im Vorfeld durch Verfahrenstricks verhindert. Die Bezirke haben in Hamburg keine eigenen Rechte (sie sind keine „Rechtskörperschaften“ wie Städte und Gemeinden), Entscheidungen im Bezirk kann der Senat jederzeit aufheben.

Auch die sog. „Bürgerbeteiligung“ bei größeren Bauprojekten ermöglicht kaum Einflussnahme. Die Bürger*innen dürfen Bedenken und Anregungen äußern, die Entscheidung trifft aber die Politik. Intern sprechen Politiker*innen und Verwaltungsfachleute daher auch gerne von „Akzeptanzmanagement“, was die Sache gut beschreibt. Wesentliche Entscheidungsgremien wie die Bodenkommission des Senats (Entscheidungen zum Verkauf städtischen Bodens) und die Bauausschüsse der Bezirke tagen zudem geheim.

Wir fordern

  1. kommunale Rechte für die Bezirke
  2. Bürgerbegehren und Bürgerentscheide verbindlich machen entsprechend der aktuellen Volksinitiative³
  3. Verbindliche Mitentscheidungsrechte der betroffenen Bevölkerung bei allen größeren baulichen Maßnahmen, z.B. durch Ermöglichung von Bürgerräten
  4. Gesetzlich garantierte Mitbestimmung von Mieter*innenräten analog der Mitbestimmung von Betriebsräten
  5. Die Bodenkommission und die Bauausschüsse der Bezirke müssen öffentlich tagen, nicht geheim.
  6. Die Auskunftspflicht der Behörden nach dem hamburgischen Transparenzgesetz muss weiter gestärkt und darf keinesfalls eingeschränkt werden.

Hamburg, im Januar 2020
Versammlung der Stadtteile

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